Richtig Teilen bei der Scheidung

Mathematik als Lebenshilfe     

 
Spätestens wenn bei einem Scheidungsprozeß das Sorgerecht um die Kinder und der Unterhalt geklärt sind, geht`s ans Eingemachte: Wer bekommt gerechterweise was aus dem gemeinsam erwirtschafteten Haushalt - wer die HiFi-Anlage, die englische Kommode, den Computer, die Segelyacht? Und wie soll man gar die ideellen Werte verteilen, wie Goldfisch, Hund und Katze oder den Araberhengst, die juristisch allesamt als Sachen gelten? Denn nicht immer ist der Vorschlag eines Hamburger Richters anwendbar, der in einem offenbar emotionsgeladenen Scheidungsverfahren vorschlug, dem Mann all die Dinge zu überlassen, die dieser im Laufe der Auseinandersetzung zertrümmert hatte

Eine strikt mathematische Lösung des Problems haben jetzt der Politologe Steven Brams von der New York University und der Mathematiker Alan Taylor vom Union College in Schenectady erdacht. Die beiden Amerikaner, ausgesprochene Gerechtigkeitsfanatiker, wurden bekannt als Erfinder einer Methode, mit der man eine Torte unter beliebig vielen Personen absolut gerecht aufteilen kann.  Für das Scheidungsproblem allerdings war ihr Kuchen-Formalismus unzweckmäßig. Denn die meisten Dinge werden leider unbrauchbar, wenn man sie zerschneidet oder zersägt. Also ließen Brams und Taylor sich etwas anderes einfallen: Beide Partner legen eine Rangfolge der strittigen Objekte fest, indem sie jedes mit einer Zahl zwischen Null und Hundert benoten. Die Bewertung erfolgt derart, daß die Summe aller Noten 100 betragen muß. Und sie ist geheim: Keiner der Widersacher weiß, was der andere wie hoch einordnet. Taktische Finessen sind mithin ausgeschlossen. Beim Scheidungstermin wird dann so geteilt, daß beide entsprechend ihrer Benotung die gleiche Punktzahl erhalten. Die Wissenschaftler haben mathematisch bewiesen, daß ihr Verfahren die größtmögliche Gerechtigkeit aller denkbaren Teilungsstrategien garantiert - daß sich also beide Parteien optimal behandelt fühlen können. Womöglich eignet sich die neue Methode auch zur Lösung politischer Streitfragen.

Brams und sein Kollege Jeffrey Togman haben zum Beispiel das Abkommen von Camp David zwischen Israel und Ägypten analysiert, die sechs wesentlichen Streitpunkte abgeschätzt und auf die Kontrahenten verteilt. Das Resultat ähnelt sehr stark dem Kompromiß, auf den sich Israel und Ägypten 1978 tatsächlich geeinigt haben.

Die Anwendung auf die Scheidungsproblematik setzt natürlich voraus, daß es überhaupt etwas zu verteilen gibt - und nicht nur Schulden, wie bei vielen der etwa 165000 Ehe-Schlüssen jährlich in Deutschland.

Mann Frau

HiFi-Anlage 8 1
Englische Kommode 5 4
Computer 6 1
Waschmaschine 2 0
Wohnung in Monte Carlo 33 55
Insel in der Karibik 18 17
Segelyacht 15 15
Hund 8 1
Araberhengst 5 6

Summe 100 100

In diesem Beispiel haben beide Partner unabhängig voneinander und geheim die strittigen Objekte bewertet. Zunächst erhält jeder die Sachen, die er höher eingestuft hat als der Kontrahent. Gerechtigkeit ist so allerdings noch nicht hergestellt, denn die Frau erzielt 61 Punkte, der Mann jedoch nur 47. Also erhält er die Segelyacht, die beide gleich hoch (15/15) eingeschätzt haben. Damit kommt er auf 62 Punkte und ist im Vorteil. Völlige Gerechtigkeit läßt sich schließlich dadurch herstellen, daß die Geschiedenen die englische Kommode verkaufen und den Erlös so teilen, daß beide auf 61,5 Punkte kommen.

Aus Geo 6a/96

 

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